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T O P N E W S ►

Resistente Keime und Rückstände im Wasser

(aho) – Bisher galten Landwirte und Tierärzte als die grossen Umwelt – und
Lebensmittelvergifter, wenn es um Arzneimittelrückstände und resistente Bakterien ging.
Offensichtlich spiegelt sich aber auch die gute medizinische Versorgung der Deutschen mit
Humanarzneimitteln in Oberflächengewässern und im Trinkwasser wieder: Die verordneten
Arzneimittel und resistente Bakterien gelangen über Urin und Faeces mit dem Abwasser in
die Kanalisation und können nach Passage der Kläranlage oberirdische Gewässer
erreichen.

Drehscheibe Kläranlagen

Nach Untersuchungen des Umweltbundesamtes (1) wirken Kläranlagen als Sammelpunkte für
antibiotikaresistente Bakterien der mitunter grossen Abwassereinzugsgebiete und sorgen
zugleich für deren beständigen Nachschub in die Umwelt. Antibiotikaresistente Bakterien
werden vermehrt in solchen Bereichen selektiert, in denen Antibiotika verstärkt
eingesetzt werden, wie in Krankenhäusern und in der Veterinärmedizin. Dort kommt es auch
zur Bildung von mehrfachresistenten Bakterien.

Kläranlagen tragen jedoch nicht nur zur Verbreitung der antibiotikaresistenten
Bakterien bei, die in anderen Bereichen entstanden sind. Es gibt darüber hinaus Hinweise,
dass es in Kläranlagen, begünstigt durch die hohen Bakterienkonzentrationen, zum
Austausch von Antibiotikaresistenzen zwischen verschiedenen Bakterien kommen kann (1).
Dadurch ist es möglich, dass neue Kombinationen von Antibiotikaresistenzen entstehen,
oder dass Antibiotikaresistenzen auf Bakterien übertragen werden, die bisher keine
Resistenz aufwiesen.

Für eine Grosskläranlage mit einem Abwasseranfall von etwa 30.000 m3 pro Tag wurde
etwa berechnet, dass täglich ca. 4,5 x 10 13 (d. h. 45.000.000.000.000)
antibiotikaresistente Bakterien mit dem Kläranlagenablauf in die Umwelt gelangen. Die
Rohabwasserproben dieser vollbiologischen Kläranlage enthielten pro Milliliter 100-1.000
tetracyclin-, chloramphenicol- und kanamycinresistente coliforme Bakterien (1).
Untersuchungen zeigen, dass im Ablauf einer Kläranlage noch 1.000 coliforme Keime pro
Milliliter nachweisbar sind, von denen 20% eine 6-fache Antibiotikaresistenz trugen. Diese
Zahlen belegen die Relevanz der Kläranlagen bei der Verbreitung antibiotikaresistenter
Bakterien in die Umwelt (1).

Gemüse? Futterpflanzen? Tränke?

In welchem Ausmass diese antibiotikaresistenten Bakterien, durch das Einleiten von
Abwasser in Badegewässer bzw. durch Bewässerung von Futterpflanzen und Gemüsekulturen
oder durch die Verwendung von Oberflächenwasser als Tränke für landwirtschaftliche
Nutztiere im Endeffekt wieder beim Konsumenten landen, ist bisher wissenschaftlich nicht
geklärt. Auffällig ist aber, Vegetarier deutlich mehr resistente Keime im Darm tragen
als Fleischesser (8,9). Neben Oberflächenwässer können auch Klärschlämme, die auf
landwirtschaftliche Flächen ausgebracht werden, mit resistenten Keimen belastet sein. Aus
Vorsorgegründen ist es jedoch nach Meinung des Umweltbundesamtes geboten, diesen Pfad der
Ausbreitung antibiotikaresistenter Bakterien z.B. durch den Einbau von Mikrofiltern in
Kläranlagen zu unterbinden (1).

Wasser in Bewegung

Grafik 1: Drehscheibe Kläranlage: In Hamburg gelangen durchschnittlich mehr als 220
Mio. m³ /a Abwasser in die Gewässer (11)

Trinken wir Arzneimittel?

Anfang der 90er Jahre wurde mit der Clofibrinsäure erstmals ein Humanarzneimittel
sowohl im Grundwasser als auch im Trinkwasser nachgewiesen (4-6). In einer aktuellen
Untersuchung fand Thomas Ternes (2) vom ESWE-Institut für Wasserforschung und
Wassertechnologie in Wiesbaden in 40 Fliessgewässern insgesamt 20 Pharmaka und 4 ihrer
Abbauprodukte. Dem Analytiker bot sich eine illustre Auswahl von den mehr als 2600
pharmakologisch wirksamen Stoffen (10), die per Rezeptblock und Selbstmedikation in
deutschen Apotheken zu bekommen ist: Entzündungshemmer (Ibuprofen, Diclofenac),
Antiepileptika (Carbamazepin), Betablocker (Propranolol, Carazolol), Bronchospasmolytika
(Salbutamol), Zytostatika (Cyclophosphamid), Lipidsenker (Bezafibrat, Gemfibrozil), deren
Metabolit Clofibrinsäure und Sexualhormone (Estron, Ethinylöstradiol). Die Medianwerte
lagen bei 8 Substanzen über 0,05 µg/l, Spitzenwerte vom 1µg/l waren keine Seltenheit.
Damit sind Arzneimittel nicht nur ubiquitär in deutschen Gewässern verbreitet, sondern
auch von erheblich grösserer Brisanz als Pestizidrückstände im Wasser.

Ob die beobachteten Störungen des Hormonhaushaltes (z.B.: zwittrige Fische,
Fruchtbarkeitsstörungen) mit den Sexualhormonen der Antibabypille zusammenhängen, ist
noch offen. Ternes (2) gibt zu bedenken, dass die Gehalte des ebenfalls hormonwirksamen
ß-Sitosterol im Wasser viel höher liegen. Das Steroid gelangt über Lipidsenker (7)
(Arzneimittel gegen zu hohe Blutfettspiegel), vor allem aber über die Abwässer der
Papierindustrie in die Umwelt.

Auch Antibiotika

Eine weitere Arbeit galt an Antibiotika. Von den 18 untersuchten Substanzen wurden 5
häufig in Gewässer entdeckt: Abbauprodukte des Erythromycins, Daneben Roxithromycin,
Sulfathoxazol, Trimethoprim und Clarthiromycin. Diese Ergebnisse zeigen aber nur ein
Bruchteil der tatsächlichen Belastung. Denn die oft verwendeten Tetracycline und
Penicilline wurden von der Analytik noch gar nicht erfasst. Angesicht der fortschreitenden
Selektion resistenter Krankheitserregern geben die Resultate Anlass zur Sorge (3).

Aufbereitung unzureichend

Die Aufbereitung des Trinkwassers vermindert zwar die Rückstände, vermag aber nicht
alle Arzneimittel restlos zu entfernen. Im Leitungswasser fanden sich in der Untersuchung
von Hirsch (3) immer noch geringe Mengen an Clofibrinsäure, Bezafibrat, Diclofenac und
Ibuprofen. Nicht mehr nachweisbar waren Östrogene, Antibiotika, Psychopharmaka,
Betablocker und Bronchospasmolytika (3).

Fazit

Es soll ausdrücklich betont werden, dass der Beitrag der Veterinärmedizin und der
Landwirtschaft zur Belastung der Umwelt und der Nahrungsmittel mit
Arzneimittelrückständen und resistenten Keimen nicht bagatellisiert werden soll. Für
eine objektive Betrachtung und Lösung der bestehende Probleme müssen aber alle
potentiellen Eintragsquellen aufgedeckt werden. Landwirte und Tierärzte sollten neben
einem qualifizierten Einsatz von Arzneimitteln auch einmal prüfen, ob resistente Keime
und Rückstände über Tränkewasser, Klärschlämme und Futterpflanzen in ihre Bestände
eingetragen werden.

Quellen:

(1) Umweltbundesamt, Jahresbericht 1997 des Umweltbundesamtes, Kapitel 6.3 Hygienische
Fragen der Umwelttechnik, S. 100 – 101
(2) Ternes TA: Arzneimittel in Gewässern und Kläranlagen. Umweltplanung, Arbeits- und
Umweltschutz 1998, H.254,S.21-27
(3) Hirsch R.: Antibiotika in der Umwelt. Umweltplanung, Arbeits- und Umweltschutz,
1998,H.254, S.29-35
(4) Stan, HA.; Heberer, Th.; Linkerhägner, M.: Vorkommen von Clofibrinsäure im
aquatischen System ? Führt die therapeutische Anwendung zu einer Belastung von
Oberflächen?, Grund? und Trinkwasser? Vom Wasser, 1994, 83 S. 57?68
(5) Heberer, Th.: Identifizierung und Quantifizierung von Pestizidrückständen und
Umweltkontaminanten in Grund? und Oberflächenwässern mittels Kapillargaschromatographie ? Massenspektrometrie.
Diss. TU Berlin, 1995, Wissenschaft & Technik Verlag, Berlin
(6) Stan, HA.; Linkerhägner, M.: Identifizierung von
2-(4-Chlorphenoxy)-2-methylpropionsäure mittels Kapillar – Gaschromatographie mit
Atomemissionsdetektion und Massenspektrometrie. Vom Wasser, 1992, 79, S. 85 – 88
(7) Kalbfus, W.: Belastung bayrischer Gewässer durch Lipidsenker.
in: Bayrisches Landesamt für Wasserwirtschaft (Hrsg.): Stoffe mit endokriner Wirkung im
Wasser. Münchener Beiträge zur Abwasser?, Fischerei? und Flussbiologie. Bd. 50.
Oldenbourg, München, 1997, S. 190-198
(8) Guinee, P; Ugueto, N; Van-Leuven, N.: E. coli with resistence factors in vegetarians,
babies, and non-vegetarians; Appl Microbiol 1970, 20, S. 531 – 535
(9) Elder, HA; Roy, I; Lehmann, S; Phillips, RL; Kass, EH.: Human studies to measure the
effekt of antibiotic residues; Vet Human Toxicol, 1973, 35, Suppl 1 S. 31 – 36
(10) Rote Liste Win, 1999 / 1, Version 2.7; Datenbestand 01.01.99; Verlag ECV Editio
Cantor Verlag
(11) Quelle der Grafik:: Hamburger Umweltbehörde
 


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