Bundesverwaltungsgericht: Muslime dürfen weiter schächten
Leipzig (aho) – Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz es nicht ausschließt, einem muslimischen Metzger eine Ausnahmegenehmigung zum betäubungslosen Schlachten (Schächten) von Rindern und Schafen zu erteilen, um seine Kunden entsprechend ihrer Glaubensüberzeugung mit Fleisch zu versorgen.
Das Tierschutzgesetz verbietet grundsätzlich das betäubungslose Schlachten. Es sieht aber eine Ausnahmegenehmigung vor, um den Bedürfnissen der Angehörigen von Religionsgemeinschaften zu entsprechen, denen zwingende Glaubensvorschriften den Genuss des Fleisches von Tieren verbietet, die vor der Schlachtung betäubt worden sind.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und sunnitischer Muslim. Er lebt seit ca. 25 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und betreibt eine Metzgerei. Er macht geltend, zwingende religiöse Vorschriften untersagten ihm und seinen muslimischen Kunden den Verzehr von Fleisch vor der Schlachtung betäubter Tiere. Für die Versorgung seiner muslimischen Kunden erhielt er deswegen bis Anfang September 1995 Ausnahmegenehmigungen zum Schlachten ohne Betäubung. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 1995, mit dem die Versagung einer zur Versorgung von sunnitischen Muslimen mit Fleisch- und Wurstwaren begehrten Ausnahmegenehmigung für rechtmäßig befunden worden war, verweigerte der Beklagte dem Kläger die Erteilung weiterer Ausnahmegenehmigungen. Nach Erfolglosigkeit der hiergegen eingelegten Rechtsmittel erhob der Kläger Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht hob durch Urteil vom 15. Januar 2002 die klageabweisenden Gerichtsentscheidungen auf und verwies die Sache an das Verwaltungsgericht zurück. Es stellte fest, dass die Entscheidungen, die die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Schächten ablehnten, den Kläger in seinen Grundrechten verletzten. Die Vorinstanzen haben daraufhin den Beklagten dem Grunde nach verpflichtet, dem Kläger eine Ausnahmegenehmigung zum Schlachten ohne vorherige Betäubung zu erteilen. Hiergegen hat der Beklagte Revision mit der Begründung eingelegt, mit der Einfügung des Tierschutzes als Staatszielbestimmung in das Grundgesetz hätten sich die Gewichte zugunsten des Tierschutzes verschoben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zurückgewiesen. Das Gesetz beabsichtige, sowohl den betroffenen Grundrechten als auch den Zielen des ethischen Tierschutzes Rechnung zu tragen. Dem diene die an enge Voraussetzungen zum Schutz der Religionsfreiheit geknüpfte Ausnahmevorschrift für ein betäubungsloses Schlachten. Hieran habe sich durch die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz nichts geändert. Eine andere Betrachtung würde einen vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Vorrang des Tierschutzes bedeuten.
BVerwG 3 C 30.05 – Urteil vom 23. November 2006