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Das aktuelle aho Interview: Von Utopien, Märkten und Kastrationen

Hannemann 5(aho) – Begriffe wie Tierwohl, Antbiotika reduzieren und Kastrationsausstieg werden in der Branche aktuell heftig diskutiert. aho sprach mit Jörg Hannemann, Virbac Tierarzneimittel GmbH, Bad Oldesloe, dem Vorsitzenden des Bundesverbandes für Tiergesundheit.

aho: Herr Hannemann, vielen Lesern ist der Bundesverband für Tiergesundheit durch die jährlichen Tortendiagramme zu den Arzneimittelumsätzen bekannt. Würden Sie bitte unseren Lesern erläutern, wer der BfT ist und welche Aktivitäten er entfaltet.

Jörg Hannemann: Der Bundesverband für Tiergesundheit vertritt die Hersteller und Vertreiber von Tierarzneimitteln in Deutschland. Dazu gehören die großen weltweit tätigen Unternehmen genauso wie mittelständische, überwiegend national operierende familiengeführte Unternehmen. Als Verband vertreten wir die Brancheninteressen gegenüber Gesetzgeber, Behörden und Fachorganisationen, z.B. bei Fragen der Arzneimittelgesetzgebung oder zur Verbesserung der Zulassungsbestimmungen unserer Produkte. Außerdem informieren wir die Öffentlichkeit über Tiergesundheit und Tiergesundheitsprodukte in Form von Pressemitteilungen oder Informations- und Fortbildungsveranstaltungen. Die von uns unterstützte Akademie für Tiergesundheit e.V. (AfT) greift aktuelle Themen aus allen Bereichen der Veterinärmedizin auf. Die AfT möchte damit einen Beitrag zur Verbesserung der Kommunikation zwischen allen Beteiligten an der Tiergesundheit leisten.

aho: Der Ruf nach weniger Antibiotika hat Landwirte und Tierärzte verunsichert. Kann der Einsatz von Antibiotika dauerhaft reduziert werden?

Jörg Hannemann: Gute Haltungsbedingungen, gutes Herdenmanagement, Zucht auf gesunde Tiere und eine konsequente Nutzung prophylaktischer Impfungen können einen Beitrag leisten, Antibiotika zu reduzieren. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass Impfungen im Wesentlichen gegen virale Erreger schützen und viele der krank machenden Keime im Stall nach wie vor durch Antibiotika therapiert werden müssen. Eine tatsächliche Reduktion des Antibiotikaeinsatzes wird in deutlich geringerem Umfang erfolgen, als dies von einigen Nachbarländern zur Zeit propagiert wird. Kranke Tiere müssen behandelt werden, dies gebietet schon der Tierschutz.

aho: Kommen neue Antibiotika, vielleicht sogar Wirkstoffe, die in der Humanmedizin nicht verwendet werden?

Jörg Hannemann: Man soll nie nie sagen, aber derzeit befinden sich keine wirklich neuen Wirkstoffe in den Forschungspipelines der Unternehmen. Aufgrund der großen politischen Unwägbarkeiten in Europa, ist eine Neuentwicklung von antibiotischen Wirkstoffen für die Unternehmen derzeit zu risikoreich.

aho: Welche Auswirkungen für den Einsatz von Antibiotika hat die kürzlich verabschiedete 16. AMG-Novelle in Deutschland, insbesondere die Einführung des Therapiehäufigkeitsindexes zur Berechnung der Behandlungshäufigkeit im Einzelbetrieb?

Jörg Hannemann: Der neu eingeführte Therapiehäufigkeitsindex erfasst neben der Zahl der Anwendungen auch die Anzahl der Wirktage eines Antibiotikums. Von dieser Formel werden insbesondere die neu entwickelten so genannten Long Acting Antibiotics negativ betroffen, da sie je nach Angabe der Wirkdauer den Therapiehäufigkeitsindex potentiell erhöhen und damit einem Betrieb mehr Behandlungstage zuordnen. Das Arzneimittelgesetz würde somit eine ursprünglich nicht gewollte Lenkungswirkung entfalten zu Ungunsten moderner, lang wirkender Antibiotika, weil der Tierarzt nicht nur den fachlich gebotenen Wirkstoff, sondern die Wirkstoffe auch nach den Kriterien eines niedrigen Therapiehäufigkeitsindexes einsetzen würde.

Unser Verband hat deshalb ein Positionspapier entwickelt, das sich produktunabhängig am Begriff einer verantwortungsvollen antibiotischen Behandlung orientiert, wie sie in den Leitlinien der Bundestierärztekammer entwickelt wurden. Danach beträgt eine sorgfältige antibiotische Behandlung fünf bis sieben Tage, entsprechend sollten die lang wirkenden Antibiotika mit fünf bis sieben Tagen Behandlungszeit in den Therapiehäufigkeitsindex einfließen. Wir sehen in diesem Berechnungsmodell eine Möglichkeit, kurz und lang wirksame Antibiotika angemessen zu bewerten.

aho: Würde eine deutliche, staatlich angeordnete Preiserhöhung bei Antibiotika den Verbrauch senken?

Jörg Hannemann: Niemand in der Industrie hätte etwas gegen höhere Preise, aber wir leben in einer Marktwirtschaft und ein Preis bildet sich dort, wo sich die Vorstellungen des Anbieters und des Nachfragenden treffen. Mengensteuerungen durch steuerliche Maßnahmen, wie sie in Nachbarländern, vor allem im Norden Europas, angedacht und durchgeführt werden, sind der Marktwirtschaft abträglich und werden von uns abgelehnt.

aho: Das Thema Tierwohl ist in aller Munde und fokussiert sich beim Thema Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration. Bekanntlich wurde an den BfT und seine Mitgliedsfirmen der Wunsch nach einem Injektionspräparat zur Schmerzausschaltung herangetragen. Ist ein solches Produkt denkbar?

Jörg Hannemann: Denkbar schon, aber nicht in Sicht. Alle bisher verfügbaren Schmerzmittel beim Schwein stammen aus der Gruppe der NSAIDs und wirken lediglich schmerzlindernd. Eine Schmerzausschaltung wie sie im Gesetz gefordert ist, könnte nach dem pharmakologischen Kenntnisstand nur durch Moleküle aus der Gruppe der Opiate erfolgen. Diese Gruppe von Wirkstoffen ist stark wirksam, aber auch Sucht auslösend und unterliegt dem Betäubungsmittelrecht.

aho: In der Schweiz und bei Bio-Verbänden werden Ferkel unter Isofluran-Narkose kastriert. Ist dies ein gangbarer Weg?

Jörg Hannemann: Die Narkose zur Kastration ist machbar, aber praktikabel bestenfalls in sehr kleinen Nischen und Spezialindikationen. 25 Mio Ferkel allein in Deutschland jährlich unter Isofluran-Narkose zu kastrieren, ist eine reine Utopie, neben der sicheren Wirkung der Narkose sind Fragen des Arbeitsschutzes und der Arbeitsplatzsicherheit nicht gelöst. Es ist außerdem nicht vorstellbar, dass ein Heer von Tierärzten Tag für Tag nur Narkosen durchführen würde.

aho: Seit Jahren steht die Eberimpfung europaweit zur Verfügung. Eigentlich ist es eine sehr elegante Methode zur Unterdrückung von Ebergeruch und Eberverhalten. Warum ist man in Deutschland so zögerlich?

Jörg Hannemann: Die Impfung gegen Ebergeruch wurde bereits in den 90er Jahren in Australien entwickelt und angewendet. Seit 2009 ist das Produkt Improvac in der gesamten europäischen Union als Tierarzneimittel zugelassen. Möglicherweise waren es vermutete Kostenerhöhungen durch die Impfung, vor denen die Landwirtschaft zurückschreckte. Die verschiedentlich geäußerten Vorbehalte wegen der Nähe zum Einsatz von Hormonen sind völlig haltlos. Der Wirkmechanismus der Impfung besteht aus einer Antigen-Antikörperreaktion, die die Synthese von männlichen Sexualhormonen blockiert. Die Impfung hat nichts mit den Hormonen selbst zu tun. Der zugelassene Impfstoff erfüllt alle Anforderungen hinsichtlich Wirksamkeit, Qualität, Sicherheit und Umweltverträglichkeit. Er ist damit eine mögliche tierschutzgerechte Lösung als Ersatz für die chirurgische Kastration.

Die derzeit viel propagierte Ebermast als kostengünstige Alternative zur Mast von Kastraten enthält viele Unwägbarkeiten. In Deutschland kann sich der Lebensmitteleinzelhandel keinen Geruchsskandal durch Eberfleisch leisten. Der Deutsche Fleischerverband hat dies in mehreren Mitteilungen jedenfalls schon sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Haltung von Ebern bedarf darüber hinaus sehr hoher fachlicher Kenntnisse zur Fütterung und zum Verhalten der männlichen unkastrierten Tiere.

Ich bin überzeugt, dass die von der pharmazeutischen Industrie entwickelte Impfung gegen Ebergeruch als praktikabler und sicherer Weg übrig bleibt, die gesetzlichen Anforderungen nach einem Verbot der betäubungslosen blutigen Kastration von Ferkeln zu erfüllen.

aho: Vielen Dank für das Gespräch!

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