Mediziner beklagen Antibiotika-Missbrauch in der Humanmedizin; Immer mehr Reserveantibiotika
Frankfurt a. M. (aho) – Pünktlich zum Start der Erkältungssaison haben hessische Ärzte am Donnerstag im Frankfurter Gesundheitsamt die Aufklärungskampagne „Weniger ist mehr“ gestartet. Ihre Botschaft: Lediglich 20 Prozent der Erkrankungen der Atemwege werden von Bakterien verursacht und damit ein Fall für den Einsatz von Antibiotika. Sie beklagen: Noch immer sehen sich Ärzte häufig mit der unberechtigten Forderung konfrontiert, Antibiotika gegen Husten oder Nasennebenhöhlenentzündung zu verschreiben, so Wolfgang Langheinrich von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) anlässlich des Kampagnenstarts: Es halte sich hartnäckig das Gerücht, dass Antibiotika einen schnell wieder auf die Beine und zurück an den Arbeitsplatz bringen. Das Gegenteil sei der Fall: „Die Effektivität ist gleich null, es bleiben die Nebenwirkungen und die Resistenzen.“ Es steigt die Gefahr, dass Bakterien nicht mehr erfolgreich bekämpft werden können, der Patient stirbt.
Ursel Heudorf, Vize-Leiterin des Frankfurter Gesundheitsamts, formulierte es so: „Ein Weiter so geht nicht, sonst droht eine Zeit, in der man keine Antibiotika hat.“ Der Anteil der Reserveantibiotika – insbesondere Fluorchinolone und Oralcephalosporine – sei in jüngerer Zeit ebenfalls deutlich angestiegen, so Heudorf weiter. „Untersuchungen haben gezeigt, dass gerade bei Atemwegsinfektionen auch zunehmend Reserveantibiotika verschrieben werden.“ Auch hier gelte es, Ärzte zur regelmäßigen Fortbildung zu motivieren, damit diese genau wüssten, wann welches Mittel zu verschreiben ist.
Während 2010 noch 2,92 Millionen Antibiotika-Verordnungen in Deutschland gemacht wurden, waren es 2014 nur noch 2,67 Millionen. Das Problem seien jedoch Breitband-Antibiotika: Ihr Einsatz habe sich in den vier Jahren fast verzehnfacht, kritisierte Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach, Präsident der Landesärztekammer Hessen anlässlich der Pressekonferenz zum Kampagnestart. Ein Blick auf die Niederlande zeige, dass in deutschen Arztpraxen und Krankenhäuser noch beachtliche Mengen an Antibiotika eingespart werden können. Während in Deutschland 12,5 durchschnittlichen Tagesdosen Antibiotika pro Einwohner verordnet werden, sind es in den Niederlanden zehn Tagesdosen, erklärte der Präsident der Landesärztekammer.
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