Humanmediziner in der Kritik: Reserveantibiotika werden „wie Bonbons im Karneval“ verteilt
(aho) – Der BKK-Landesverband NORDWEST verschärft seine Kritik an der unqualifizierten Verordnungspraxis von Antibiotika in der Humanmedizin. „Die Wahrscheinlichkeit, dass Antibiotika verordnet werden, ist in einzelnen Bundesländern doppelt so hoch wie in anderen. Medizinisch erklärbar sei dies nicht“, sagte Dr. Dirk Janssen, stellv. Vorstand des BKK-Landesverbandes NORDWEST.
Insbesondere die aktuellen Untersuchungsergebnisse aus der Studie des BKK-Landesverbandes NORDWEST und Mitte zum Einsatz der Reserveantibiotika lassen aufhorchen. Diese werden zu 76% ohne gezielte Diagnostika verordnet. Dr. Janssen: „Reserveantibiotika sind unsere letzte Verteidigungslinie gegen multiresistente Erreger. Sie sollten nur dann eingesetzt werden, wenn nichts anderes mehr hilft. Wenn Reserveantibiotika wie Bonbons im Karneval verteilt werden, verlieren wir diesen Kampf!“
Grobe Missstände in der Antibiotikaverordnung hatte der BKK-Landesverband NORDWEST in den letzten Tagen kritisiert. Er fordert zum Schutze der Patienten vor einer zu schnellen Antibiotikaverordnung ein Antibiogramm. Das ist ein Abstrich, der klären kann, ob und ggf. welches Antibiotikum hilft. Die BKK Studie zeigt, dass in Deutschland rd. 95% der ärztlich verordneten Antibiotika ohne diagnostische Absicherung verschrieben werden.
Der BKK-Landesverband NORDWEST hat drei Forderungen an die Politik:
1. Verbindliche Regelungen zur Anwendung des Antibiogramms
2. Klare Vergütungsregelungen hierzu für Fach- und Hausärzte
3. Die Einführung eines Bundeskeimregisters. Labore sind zu verpflichten, die Testergebnisse pseudonymisiert an eine zentrale Meldestelle zu liefern, so dass Politik und Wissenschaft im Sinne eines Radars die Bewegung der Erreger und die Entwicklung von Resistenzen unter Kontrolle halten können.
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