Ernüchternde Studie: Bio-Kühe nicht gesünder
Kassel (aho) – Die Haltung von Kühen unter den Bedingungen des Ökolandbaus fördert nicht die Tiergesundheit. Das ist das Ergebnis einer Studie, die unter Leitung der Universität Kassel durchgeführt wurde. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten das Auftreten ausgewählter Erkrankungen (u.a. Eutererkrankungen und Lahmheiten), die einen engen Bezug zu den Produktionsprozessen aufweisen, auf mehr als 200 Öko-Betrieben in Deutschland, Frankreich, Schweden und Spanien untersucht. Die Ergebnisse der Studie sind ernüchternd, so Prof. Dr. Albert Sundrum, Fachgebietsleiter Tierernährung und Tiergesundheit der Universität Kassel.
Trotz der deutlich besseren Haltungsstandards unterschieden sich die Erkrankungsraten auf ökologischen Milchviehbetrieben nach den Ergebnissen des Projekts nicht von den hohen Erkrankungsraten in der konventionellen Milchviehhaltung. Bemerkenswert seien die enormen Unterschiede zwischen den Betrieben. Sie ließen sich weder durch regionale Gegebenheiten noch durch die Betriebsgröße erklären. Vielmehr seien Erkrankungsraten zuallererst das Ergebnis einer suboptimalen Betriebsführung.
Vielen Betrieben fehlte nach Meinung von Sundrum der Anreiz, Zeit und Geld in die Verbesserung der Gesundheitssituation zu investieren, weil alle Lieferanten einer Molkerei, trotz sehr unterschiedlicher Gesundheitsleistungen, den gleichen „Premium-Preis“ für ihre Bio-Milch erhielten. Auch könnten die Kosten für Verbesserungen der Tiergesundheit die Ausfallkosten durch Erkrankungen übersteigen. Dies kennzeichne eine unfaire Wettbewerbssituation. Durch die gesetzlich verankerten Regelungen sollte diese eigentlich unterbinden werden, so die Wissenschaftler.
Auf Basis der Ergebnisse haben die Wissenschaftler Konzepte zur Verbesserung der Tiergesundheit entwickelt, ebenso wie ein Softwareprogramm zur Durchführung von Kosten-Nutzen-Analysen für das Tiergesundheitsmanagement. An die Politik appellieren die Wissenschaftler, die Tiergesundheit nicht allein der Selbsteinschätzung einzelner Landwirte zu überlassen. Es sollten Systeme zur flächendeckenden Erfassung von ausgewählten Produktionskrankheiten etabliert und konkrete Zielvorgaben abgesteckt werden.
Auch betriebswirtschaftliche Faktoren hat das Forscherteam untersucht und in ein Softwareprogramm für eine vereinfachte Durchführung von Kosten-Nutzen-Analysen verarbeitet. Susanne Hoischen-Taubner, Mitarbeiterin der Uni Kassel, erklärt: „Wenn ein Tier krank ist, entstehen nicht nur Tierarzt- und Medikamentenkosten. Diese seien unbedeutend. Relevant seien dagegen die Verluste durch geringere Milchleistung kranker Kühe oder deren vorzeitiger Schlachtung. Die Ergebnisse zeigten, dass viele Landwirte, aber auch ihre Berater diese Kosten unterschätzt hätten. Daher beinhaltet unsere Software auch ein Tool, das Öko-Milchbauern zeigt, welche vorbeugenden Maßnahmen sich in ihrem Betrieb wirtschaftlich am ehesten rentierten.“ Durch die Empfehlungen wollen die Forscherinnen und Forscher die Tiergesundheit ökologisch gehaltener Milchkühe näher an die Erwartungen heranrücken, die Konsumenten beim Kauf von ökologischen Produkten haben.
Antibiotika unverzichtbar, Homöopathie ohne Wirksamkeitsnachweis, fehlende Kompetenz
Einen kompletten Verzicht auf den Einsatz von Antibiotika bei der Behandlung von Tieren schließt Prof. Sundrum aus: „Ganz ohne Antibiotika wird auch die ökologische Landwirtschaft künftig nicht auskommen. In wissenschaftlichen Studien mangelt es weiterhin an belastbaren Nachweisen der Wirksamkeit von homöopathischen und pflanzlichen Mitteln. Zudem fehlt vielen Landwirten die hinreichende fachliche Kompetenz, um solche Mittel zielführend zur Verbesserung des therapeutischen Erfolges und zur Vermeidung von Schmerzen, Leiden und Schäden einzusetzen.“
An die Politik stellt der Nutztierwissenschaftler Sundrum klare Forderungen: „In einem (Wirtschafts-)System, das nur Kostenführerschaft belohnt, sollte Tiergesundheit nicht allein der Selbsteinschätzung einzelner Landwirte überlassen bleiben. Es sollten Systeme zur flächendeckenden Erfassung von ausgewählten Produktionskrankheiten etabliert und konkrete Zielvorgaben abgesteckt werden, an denen sich alle Beteiligten orientieren können, um die unbefriedigende Situation in der Öko-Milchwirtschaft zu verbessern.“
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