Ferkelkastration in der Diskussion: Narkoseverfahren von Neuland umstritten
(aid) – Männliche Ferkel für die Schweinemast werden kastriert, weil Fleisch von Ebern einen unangenehmen Geruch aufweisen kann. Aus Tierschutzgründen wird EU-weit seit langem nach Alternativen zur bisher üblichen Kastration ohne Betäubung gesucht. In der Schweiz wird ab 2009 die Ferkelkastration ohne Schmerzausschaltung verboten, in Norwegen ist sie es bereits seit fünf Jahren. Niederländische Supermarktketten wollen ab 2009 kein Schweinefleisch mehr anbieten, welches von männlichen Schweinen stammt, die bei der Kastration nicht betäubt wurden. Vorreiter in Deutschland ist „Neuland – Verein für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung“. In Neuland-Betrieben werden seit Anfang Mai Ferkel mit kurzzeitiger Vollnarkose kastriert. Neuland nutzt dabei die Forschungsergebnisse der Schweizer Hochschule für Landwirtschaft Zollikofen, die mehrere Alternativen untersucht hat, und einzig die kurzzeitige Inhalationsnarkose mit Isofluran für praktikabel hält. Gleichzeitig wird den Tieren ein Schmerzmittel verabreicht, um den Schmerz nach dem Aufwachen ebenfalls zu vermindern. Der Deutsche Tierschutzbund, einer der Träger von Neuland, hat zeitgleich die Kampagne „Ferkelprotest“ gegen das betäubungslose Kastrieren von Ferkeln gestartet und fordert eine Änderung des Tierschutzgesetzes und ein Verbot der betäubungslosen Kastration. Der Zentralverband der Deutschen Schweineproduktion (ZDS), die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschland (ISN) und der Deutsche Bauernverband (DBV) sehen in dem Vorgehen von Neuland keine Problemlösung. Dieses Verfahren sei aufwändig und teuer. Nach deutschem Recht dürfe nur ein Tierarzt eine Betäubung vornehmen. Isofluran sei in Deutschland als Betäubungsmittel für Schweine noch nicht zugelassen und es bestünden seuchenhygienische Bedenken, weil sich aus Kostengründen mehrere Betriebe ein Narkosegerät teilen müssten. Außerdem gäbe es Bedenken aus Gründen des Anwenderschutzes und des Umweltschutzes. Die drei Verbände berufen sich auf einen Expertenworkshop der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ) im November 2007 zum Thema Alternativen zur bisherigen Ferkelkastration, nach dem alle Betäubungsverfahren mit erheblichen Problemen und mit teilweise starken Stressbelastungen für die Ferkel verbunden seien. Die Verbände erwarten vom derzeit laufenden EU-weiten Forschungsprojekt „PigCas“ tierschutzgerechte und wirtschaftliche Alternativen zur betäubungslosen Kastration und möchten keine voreilige Entscheidung für oder gegen ein Verfahren fällen. Der Deutsche Tierschutzbund will hingegen nicht länger warten, wenn Tiere unnötig leiden müssten.
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erklärt in einer Stellungnahme, dass es die Bundesregierung für erforderlich hält, nach Alternativen zur betäubungslosen Kastration von Ferkeln zu suchen. Von den derzeit diskutierten Verfahren sei noch keines so weit entwickelt, dass es unter den Gesichtspunkten Tiergerechtheit, Praxisreife und Wirtschaftlichkeit etabliert werden könnte. Von dem Forschungsprojekt „PigCas“ erwarte die Bundesregierung jedoch Erkenntnisse in diesem Bereich. Eine Änderung des Tierschutzgesetzes sei erst dann möglich und erforderlich, wenn alternative Verfahren praxisreif zur Verfügung stehen, wobei sinnvollerweise Tierschutzvorschriften nach Möglichkeit europaweit festgelegt werden sollten.
aid, Dr. Elisabeth Roesicke