Wissenschaftler: Ferkelkastration unter Narkose nicht tiergerecht; enorme Belastung
München, Dummerstorf, Wien (aho) – Der Deutsche Tierschutzbund und andere Laienorganisationen fordern regelmäßig, dass Ferkel nur noch unter Narkose kastriert werden sollen. Damit soll den Ferkeln Stress und Schmerzen erspart werden. Eine Studie von Wissenschaftlern verschiedener Einrichtungen* belegt aber, dass eine Narkose mit CO2 die Forderung nach Stressreduktion bei der Kastration nicht erfüllt und daher nicht als tiergerecht angesehen werden kann. Vielmehr ist diese Vorgehensweise eine enorme Mehrbelastung der Tiere. Allein bei den postoperativ auftretenden kastrationsbedingten Schmerzen konnten die Wissenschaftler eine gewissen positiven Effekt erkennen.
In der Studie wurden die Auswirkungen eines Gasgemisches aus 70 % CO2 und 30 % O2 hinsichtlich stress- sowie schmerzbezogener Parameter im Zusammenhang mit der Kastration untersucht. Als Kriterium für die Einschätzung von kastrationsbedingten Schmerzen wurde Serumcortisol und als Parameter für stressbedingte Belastungen wurden die Plasmakonzentrationen der Katecholamine Noradrenalin und Adrenalin verwendet. Die Ferkel wurden in jeweils vier Versuchsgruppen (A–D) eingeteilt. In zwei Kontrollgruppen wurden die Tiere lediglich mit CO2 (C) bzw. ohne CO2 (A) fixiert. Tiere der beiden weiteren Gruppen wurden demgegenüber mit CO2 (D) oder ohne CO2 (B) kastriert. Für die Bestimmung der Blutparameter wurden vor und nach der Behandlung zu festgelegten Zeitpunkten Blutproben gewonnen.
Die Ergebnisse: Die CO2-Narkose hatte keinen Einfluss auf den kastrationsbedingten Anstieg der Cortisolkonzentrationen eine halbe Stunde nach Kastration (B 391,2 nmol/l gegenüber D 340,7 nmol/l) (p ≥ 0,05). Jedoch konnte nach einer Stunde ein signifikanter Abfall der Cortisolkonzentrationen bei den mit CO2 betäubten Ferkeln beobachtet werden (D 244,9 nmol/l gegenüber B 336,8 nmol/l) (p<0,05). Im Gegensatz dazu bedeutet diese Form der Betäubung – gemessen an den stressbedingten Katecholaminausschüttungen – eine enorme Mehrbelastung der Tiere im Vergleich mit unbetäubt kastrierten Tieren (B 4,9 ng/ml gegenüber D 96,1 ng/ml Noradrenalin) (p<0,05). Anmerkung der Redaktion: Mit modernen sogenannten „nichtsteroidalen Antiphlogistika“ wird die Kastration für die Ferkel erträglicher. Sie zeigen deutlich weniger Schmerzreaktionen und entwickeln sich normal weiter.
Quelle:
I. C. Mühlbauer, W. Otten, W. Lüpping, A. Palzer, S. Zöls, S. Elicker, M. Ritzmann, K. Heinritzi
Untersuchung zur CO2-Narkose als eine Alternative zur betäubungslosen Kastration von Saugferkeln
Der praktische Tierarzt 90, Hef t 5, 460–464 [2009]
*Beteiligte Institute:
- Klinik für Schweine der veterinärmedizinischen Fakultät der LMU München
- Forschungsbereich Verhaltensphysiologie des FBN Dummerstorf
- Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein
- Klinik für Schweine der Veterinärmedizinischen Universität Wien
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