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Magengeschwüre: Ein Phänomen verfolgt die Schweineproduktion durch die Jahrzehnte

schweine-fressen1(aho) – Seit mehr als einem halben Jahrhundert entfaltet sich in der veterinärmedizinischen und agrarwissenschaftlichen Fachliteratur eine Vielfalt von Publikationen, die sich mit dem Auftreten und der Verursachung von Magengeschwüren bei Schweinen beschäftigt. Eine Recherche im Internet findet rasch Publikationen aus der Mitte der 40iger Jahre (15).

Gleichzeitig sind Magengeschwüre und ihre Vorstufen bei Schweinen weit verbreitet. Untersuchungen britischer Wissenschaftler des Royal Veterinary College in Hatfield konnten am Schlachthof bei 79 Prozent der Schweinemägen pathologische Veränderungen feststellen. Ausgeprägte Magengeschwüre fanden sich bei sechs Prozent. Besonders häufig zeigten solche Schweine Magenveränderungen, die über Nacht auf dem Schlachthof auf die Schlachtung warten mussten. Die Wissenschaftler sehen hier einen direkten Zusammenhang mit dem langen Fasten der Tiere und zum Stress durch die ungewohnte Umgebung (12). Ein Magengeschwür kann in weniger als 24 Stunden entstehen. Schlachtbefunde müssen deshalb sorgfältig bewertet werden.

Magengeschwüre entstehen dann, wenn in der Einwirkung auf die Schleimhaut aggressive Faktoren wie Pepsinogen und Salzsäure die protektiven (Mucus, Bicarbonat, geringe Permeabilität) übersteigen. Eine Übersicht über die physiologischen und pathophysiologischen Vorgänge rund um den Schweinemagen und Magengeschwüre finden Sie hier in einer Publikation von Professor Dr. Gotthold Gäbel von der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig.

Allesfresser Schwein

Die mehlförmigen oder pelletierte Futtermittel und die seit rund einem Jahrhundert übliche Fütterungspraxis entsprechen nicht den physiologischen Bedürfnissen des Schweinemagens. Anlässlich der 11. Haupttagung der AVA (Agrar- und Veterinärakademie) in Göttingen referierte der Veterinär-Physiologe Prof. Dr. Holger Martens aus Berlin zum Thema Magengeschwüre und Futterstruktur. Zunächst rief er noch einmal in Erinnerung, dass Schweine bekanntlich Allesfresser sind und somit gehören in Abhängigkeit von der Jahreszeit Pflanzen, Wurzeln, Knollen, Samen, Früchte, Obst, Nüsse, Kleingetier und u. U. auch Aas zum Speiseplan. Ferner ist festzuhalten, dass Schweine in natürlicher Umgebung täglich viele Stunden auf Nahrungssuche sind. Als Quintessenz dieser Art der Nahrung und der Nahrungsaufnahme lässt sich festhalten, dass das aufgenommene Futter immer – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – Struktur (niemals mehlartig) und vor allem auch in der Regel keine hohe Energiedichte aufweist, so der Experte. Ferner wird der Magen wegen der häufigen Nahrungsaufnahme selten leer sein (2).

Zu fein

Nahezu alle Komponenten von Mischfuttermitteln für Schweine werden vor dem Mischen vermahlen, um einen möglichst hohe Verdaulichkeit zu erreichen. Auch technologische Aspekte wie die Pelletstabilität spielen hierbei eine wichtige Rolle. Grobe Partikel machen Pellets instabil. Die zentrale Bedeutung des Futters bei der Entstehung von Magengeschwüren wurde bereits Mitte des letzten Jahrhunderts erkannt und in einer großen Zahl von Veröffentlichungen beschreiben (3 – 5, 7). Insbesondere wurde ein eindeutiger Zusammenhang zwischen geringeren Partikelgrößen in Mischfuttermitteln und einer steigenden Häufigkeit von Veränderungen der Magenschleimhaut bis hin zu blutenden Magengeschwüren aufgezeigt (1, 4, 6, 8-11).

Fazit

zunahmen-verluste-hoy[Grafik: Sinkende Tierverluste bei steigender Mastleistung (14)] Die Diskussion um das Tierwohl in der Schweinemast wird engagiert geführt. Hierbei werden die bei Schweinen auftretenden Magengeschwüre als Beleg für eine physiologische Überforderung der Tiere in modernen Haltungssystemen angeführt. Ein Blick in die Fachliteratur zeigt aber, dass das Phänomen der Magengeschwüre seit Jahrzehnten dokumentiert ist. Ältere Quellen stammen aus dem Jahr 1945 (15). In den 50iger Jahren waren Tageszunahmen im Bereich von 400 – 450 g (ADS-Bericht “Zahlen aus der Leistungsprüfung” 1954) eine gute Mastleistung. Leistungsgerecht gefütterte und gesunde Schweine erreichen in modernen hygienisch gut geführten Ställen Tageszunahmen von 1.000 g bei sinkenden Emissionen. Tatsächlich sind unter den Bedingungen der modernen Tierproduktion und Dank einer veterinärmedizinischen Betreuung der Tiere auf hohem Nivea auch mit modernen Tierarzneimitteln und Impfstoffen die Tierverluste gesunken (14). Die Agrarwissenschaft, Veterinärmedizin und Futtermittelwirtschaft sind aber dringend aufgerufen, das Phänomen und Problem Magengeschwüre anzugehen.

Literatur:

(1) Cappai MG, Picciau M, Pinna W.
Ulcerogenic risk assessment of diets for pigs in relation to gastric lesion prevalence.
BMC Vet Res. 2013 Feb 22;9:36. doi: 10.1186/1746-6148-9-36.

(2) Martens, Holger
Magenulcera beim Schwein: Struktur als Prophylaxe
AVA-Haupttagung 2012, Göttingen
Nutztierpraxis aktuell, 2012, S. 134 – 136

(3) Nuwer, A. J., T. W. Perry, R. A. Pickett u. T. M. Curtin
Expanded or heat-processed fractions of corn and their relative ability to elicit
esophagogastric ulcers in swine.

J. Anim. Sci. 1965, 26, S. 518 – 525

(4) Mahan, D. C., R. A. Pickett, T. W. Perry, T. M. Curtin, W. R. Featherston u. W. M. Beeson
Influence of various nutritional factors and physical form of feed on esophagogastric ulcers in swine.
J. Anim. Sci. 1966, 25, S. 1019 – 1023

(5) Riker, J. T., T. W. Perry, R. A. Pickett u. T. M. Curtin
Influence of various grains on the incidence of esophagogastric ulcers in swine.
J. Anim. Sci. 1967, 26, S. 731 – 735

(6) Reimann, E.M., Maxwell, C.V., Kowalcyzk, T., Benevenga, N.J., Grummer, R.H., u.
Hoekstra, W.G.
Effects of fineness of grind of corn on gastric lesions and contents of swine.
J. Anim. Sci. 1968, 27, S. 992 – 999

(7) Knut Flatlandsmo u. Per Slagsvold
Effect of grain particle size and pellets on development of gastric ulcers in swine.
J. Anim. Sci. 1971,33, S. 1263 – 1265

(8) Wondra KJ, Hancock JD, Behnke KC, Hines RH.
Effects of dietary buffers on growth performance nutrient digestibility and stomach
morphology in finishing pigs.

J. Anim. Sci. 1995, 73, S. 414 – 420

(9) Heather L. Ayles, MA; Robert M. Friendship, Ronald O. Ball.
Effect of dietary particle size on gastric ulcers, assessed by endoscopic examination, and relationship between ulcer severity and growth performance of individual fed pigs.
Swine Health Prod. 1996, 4, S. 211 – 216

(10) I Mavromichalis, J D Hancock, B W Senne, T L Gugle, G A Kennedy, R H Hines and C L Wyatt
Enzyme supplementation and particle size of wheat in diets for nursery and finishing pigs.
J. Anim. Sci. 2000, 78, S. 3086 – 3095

(11) S. I. Melnichouk
Mortality associated with gastric ulceration in swine.
Can. Vet. J. 43, 2002, S. 223 – 225

(12) Swaby H, Gregory NG.
A note on the frequency of gastric ulcers detected during post-mortem examination at a pig abattoir.
Meat Sci. 2012 Jan;90(1):269-71. doi: 10.1016/j.meatsci.2011.06.015.

(13) Gäbel, G. u. Pfannkuche, H.
Der Schweinemagen: viel Arbeit, wenig Dank
Wichtige und interessante Aspekte für den Tierarzt aus physiologischer Sicht
10. AVA-Haupttagung in Göttingen, Nutztierpraxis aktuell, 2011, S. 124 – 127

(14) Hoy, S.
Ferkelerzeugung und Schweinemast
Hohe biologische Leistungen und Tierschutz sind kein Widerspruch
Nutztierpraxis Aktuell Ausgabe 45, Juni 2013, S. 14 – 18

(15) Kernkamp HC.
Gastric Ulcer in Swine.
Am J Pathol. 1945 Jan;21(1), S.111-3.


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