Agrarminister Meyer: Ende 2015 soll betäubungslose Ferkelkastration enden; Ende 2016 Schwänzekupieren und Schabelkürzen
Hannover (aho) – „Die Verstümmlung von Tieren muss ein Ende haben“, sagte heute Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer (Grüne) anlässlich eines Besuchs auf einem Landwirtschaftlichen Betriebs in Gusborn im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Ende 2015 solle Schluss sein mit der betäubungslosen Ferkelkastration (a), Ende 2016 mit dem Kupieren von Schweineschwänzen (b) und dem Wegbrennen von Schnäbeln bei Legehennen (c), so Meyer. „Niedersachsen geht zwar voran, ist aber auf diesem Weg nicht allein“, sagte der Landwirtschaftsminister. „Die Mehrheit der anderen Bundesländer will ähnliche Schritte unternehmen, und die Niederlande haben für 2017 per Gesetz ebenfalls das Kürzen der Schnabelspitze bei Legehennen verboten.“
„Wir wollen Tierschutzprämien als Anreize für eine Verbesserung in der Tierhaltung vermehrt etablieren“, sagte Minister Meyer. „Damit werden nämlich all die Landwirte belohnt, die sich schon jetzt für mehr Tierwohl ins Zeug legen. Ich finde, es ist mehr als gerecht, einen solchen Mehraufwand entsprechend zu honorieren.“
Hinweise
(a) Als Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration stehen grundsätzlich drei Wege offen.
- Die Kastration unter Isofluran-Narkose. Hier sind – wie Erfahrungen aus der Schweiz zeigen – Fragen der Anwendersicherheit ungeklärt.
- Die Ebermast. Ungeklärt ist hier das sichere Erkennen des Geschlechtsgeruchs am Schlachtband, das arttypische Eberverhalten mit den daraus folgen Tierschutzproblemen und die physiologischen Produktion des Hormons Nandrolon durch intakte Eber.
- Die Ebermast mit Eberimpfung zur Vermeidung des Geschlechtsgeruchs und der arttypischen Eberverhaltens. Die Methode ist seit mehr als zehn Jahren in vielen Ländern dieser Erde tägliche Praxis und wird auch in Belgien vom Lebensmitteleinzelhandel und Cateringunternehmen akzeptiert.
(b) Durch das Schwänzekoupieren bei Ferkeln soll im späteren Leben der Schweine der sogenannte Schwanzkannibalismus – in Fachkreisen auch Kaudophagie genannt – vermieden werden. Das Phänomen ist eine gefürchtete Verhaltensstörung in der Schweinemast, das auch bei kupierten Schwänzen auftreten kann, aber jedoch bei langen Schwänzen um ein Vielfaches häufiger vorkommt (1). Grundsätzlich tritt das Phänomen auch bei Wildschweinen und Schweinen in Freiland- und Ökohaltung auf (2, 3). Bei einer Befragung unter 500 niederländischen Betrieben gaben 50 – 64% der konventionellen und 45 – 47% der ökologisch wirtschaftenden Betriebe Probleme mit dem Schwanzkannibalismus an (4). Man kann deshalb annehmen, dass es sich beim reinen Bekauen des Schwanzes um ein „übliches“ Verhalten bei Schweinen handelt, welches durch Einflüsse „aus der Ruder laufen“ kann. Für den Schwanzkannibalismus werden in der Fachliteratur eine Vielzahl von Umwelt- und Fütterungsfaktoren diskutiert (2). Auffällig ist, dass die Ergebnisse oft nicht reproduzierbar sind. Sie scheinen nicht die Auslöser zu sein. Sie beeinflussen eher den Schweregrad. Bei einer Untersuchung der Tierärztlichen Hochschule Hannover trat in einem Schweinebestand immer dann Schwanzbeißen auf, wenn rein vegetarisch mit Soja und Getreide gefüttert wurde. In der Versuchsgruppe, die mit den Lebensmittelabfällen auch tierisches Eiweiß in Form von Fleisch, Wurst und Milchprodukte erhielten, trat diese Verhaltensanomalie nicht auf. Im Betrieb wurde bereits zuvor die Beobachtung gemacht, dass mit Beginn der Nebenproduktfütterung das Problem des Kannibalismus, insbesondere des Schwanzbeißens, nicht mehr auftrat (7).
(c) Das „Wegbrennen“ der Schnäbel erfolgt tatsächlich im Kükenalter. Hierbei verwenden die modernen Brütereien einen Laser. Durch das Lasern der Schnabelspitzen soll das Federpicken bei Legehennen in Boden und Freilandhaltung eingedämmt werden. Wissenschaftlern des Roslin Institutes in Edinburgh, Scotland, haben beobachtet, dass das lebensbedrohliche Federpicken bei Hennen mit Auslauf besonders häufig auftritt, wenn sie gänzlich vegetarisch ernährt werden. In ihren Versuchen differierten die gefütterten Rationen nicht im Bezug auf Rohprotein, essentiellen Aminosäuren, Vitaminen und Mineralien. Allein die Auswahl des Eiweißträgers war entscheidend. Bei den vegetarischen Hennen war es Soja, bei den konventionellen Hennen Fischmehl (5).
Der Verzicht auf Tiermehl (vegetarische Ernährung) bei der Fütterung von Legehennen in der Schweiz, hat auch dort zu einem sprunghaften Anstieg von Kannibalismusfällen geführt (6).
(1) Thodberg, K. et al.
The risk of tail biting in relation to level of taildocking.
Proc. 44th Congr. International Society for Applied Ethology, Uppsala, Sweden, August 2010, p.91.
(2) Freitag M.
Kaudophagie beim Schwein – ein multifaktorielles Problem.
11. Haupttagung der Agrar- und Veterinärakademie (AVA), 16.-18.3.2012, Göttingen
(3) Walker PK, Bilkei G.
Tail-biting in outdoor pig production.
Vet J. 2006 Mar;171(2):367-9.
(4) De Lauwere, C. et al.
Stoppen met couperen? Varkenshouders over staartbijten en staartcouperen.
LEI rapport 2009 – 97, LEI, the Hague, The Netherlands
(5) McKeegan, D.E.F. u. Savory, C.J.
Feather pecking and dietary protein
Poultry International, Dec, 1999, S. 48 – 50
(6) Morgenstern, R,
zit. n. Landwirtschaftsblatt Weser-Ems 1996/ Nr.46/S.24-25
(7) Reinhard Schlüter
Auswirkungen des Einsatzes von einem Flüssigfutter aus thermisch vorbehandelten Speiseresten und Kartoffeln auf die Mastleistungen, Gesundheitsstatus, Schlachtkörperqualität und Ökonomie in der Schweinemast
Institut für Tierernährung der Tierärztlichen Hochschule Hannover Dissertation, 2002
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