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Ferkelkastration: Der 4. Weg, ein Irrweg +++ Zu Risiken und Nebenwirkungen

[Screenshot YouTube Video]
(aho) – Der Termin für den Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration rückt unweigerlich näher, ohne dass die Branche eine zielführendes Lösung etabliert hat. In der landwirtschaftlichen Presse wird seit einigen Monaten der sogenannte „4. Weg“ propagiert. Hier soll der Landwirt vor der Kastration ein Lokalanästhetikum (örtliche Betäubung) in den Hodensack und in Richtung der Samenstänge verabreichen. Insgesamt werden also vier Injektionen verabreicht. Wie immer lohnt sich ein Blick auf die Details.

Im Landwirteblatt topagrar wird im Beitrag „Gute Erfahrungen mit örtlicher Betäubung“ (Schwein – Ausgabe 03/2017) ein solche örtlicher Betäubung beschrieben: „Ich greife die männlichen Tiere an den Hinterbeinen, sodass die Hoden Richtung Bauchhöhle rutschen. Dann spritze ich in jede Hälfte des Hodensacks 0,5 ml Isocain und weitere 0,5 ml in Höhe der zweitletzten Zitze unter die Haut in den Leistenkanal“, beschreibt der Tierarzt das Prozedere.

In der Summe werden also einem Ferkel 2 ml Isocain (Selectavet) verabreicht. Der Produktinformation des Hersterllers zu Isocain ist aber zu entnehmen: „Die Gesamtdosis soll 5 mg Procainhydrochlorid pro kg Körpergewicht (6 µg Epinephrin pro kg) entsprechend 2,5 ml Isocain ad us. vet. pro 10 kg Körpergewicht nicht überschreiten“. Ein 1 kg schweres Ferkel dürfte dann nur insgesamt 0,25 ml Isocain erhalten. Das entspricht 0,0625 ml je Injektionsstelle.

Wie in einem Video zu sehen ist, verabreicht der Landwirt diese Überdosis mit einer Multidosierspritze mit aufgesetzter Arzneiflasche. Hiermit kann der korrekte Plazierung der Kanüle durch Aspirieren zur Vermeidung einer versehentlichen intravasalen Injektion nicht geprüft werden. In der Produktinformation ist hierzu zu lesen: „Um eine intravasale Applikation auszuschließen, ist die korrekte Plazierung der Kanüle durch Aspirieren zu prüfen“.

Welche Folgen eine Überdosis oder eine versehentliche intravasale Injektion haben können, kann ebenfalls der Produktinformation entnommen werden: „Da Überdosierungen und intravasale Injektionen mit einem hohen Risiko für zentrale und kardiale Effekte (konzentrationsabhängig zentrale Erregung bzw. Depression, Herzrhythmusstörungen, Kammerflimmern) verbunden sind, ist auf genaue Dosierung und sorgfältige Injektionstechnik zu achten.“ Derartige Nebenwirkungen sind sicherlich nicht mit dem Tierschutz vereinbar.

Ein grundsätzliches Problem

Auch andere Produktinformationen von Lokalanästhetika weisen auf die Gefahren von Überdosierungen un intravasalen Injektionen hin. So beim Lidocainhydrochlorid 2% der Firma bela-pharm. Das Produkt hat keine Zulassung für das Schwein. Unter „Hinweise für die richtige Anwendung:“ ist zu lesen: „Lidocainhydrochlorid 2% wird subkutan, intramuskulär oder perineural injiziert oder auf die Schleimhaut aufgetragen. Eine intravasale Injektion ist durch vorhergehende Aspiration auszuschließen.“

Weiter ist zu lesen: „Die Gesamtdosis sollte 2 – 4 mg Lidocain pro kg Körpergewicht (1 ml Lidocainhydrochlorid 2% pro 5 – 10 kg KGW) nicht überschreiten.“ Bei einen 1 kg schweren Tier wären dies maximal 0,2 ml; d.h. je Injektionsstelle wären 0,05 ml Lidocainhydrochlorid 2% zu verabreichen.

Auch bei diesem Präparat findet der Anwender Warnhinweise: „Da Überdosierungen und intravasale Injektionen mit einem hohen Risiko für zentrale und kardiale Effekte (Erbrechen, Erregungszustände, Muskelzittern bis hin zu klonischen Krämpfen, Atemdepression und Herzstillstand) verbunden sind, ist auf genaue Dosierung und sorgfältige Injektionstechnik zu achten.“ Bei Überdosierung können lauf Vertreiber folgende Nebenwirkungen auftreten: „Eine akute Lidocainvergiftung äußert sich durch Tremor, Unruhe, Ataxie, Angst- und Erregungszustände, Erbrechen, Muskelzuckungen bis hin zu klonischen Krämpfen, Blutdruckabfall, Bradykardie, Bewusstlosigkeit, Atemlähmung und Herzstillstand. Im Falle einer Vergiftung steht die Behandlung der zentralen Symptome im Vordergrund.“

Tierarzt verantwortlich

Ein Tierarzt, der die Anwendung eines Arzneimittels jenseits der Zulassung anordnet, ist hierfür voll verantwortlich und müsste im Schadensfall persönlich haften. Zudem müsste er sich Vorwürfe im Bezug auf den Tierschutz gefallen lassen. Tierärzte sollten deshalb genau prüfen, ob sie Lokalanästhetika zur Ferkelkastration verordnen.

Schmerzhaft

Die Applikation des Wirkstoffs in den Hoden oder den Samenstrang ist zudem sehr schmerzhaft. Untersuchungen aus München weisen nach, dass die Kortisolwerte nach einer Kastration unter Lokalanästhesie sogar höher liegen als nach der betäubungslosen Kastration (1,2,3).

(1) Zankl A, Ritzmann M, Zöls S, Heinritzi K (2007):
Untersuchungen zur Wirksamkeit von Lokalanästhetika bei der Kastration von männlichen Saugferkeln.
Dtsch Tierärztl Wochenschr 114(11): 418–422.

(2) Waldmann KH, Otto K, Bollwahn W (1994):
Ferkelkastration – Schmerzempfindung und Schmerzausschaltung.
Dtsch Tierärtzl Wochenschr 101(3): 105–109.

(3) Zankl, A.
Untersuchungen zur Wirksamkeit und Gewebeverträglichkeit von Lokalanästhetika bei der Kastration männlicher Saugferkel
Inaugural-Dissertation zur Erlangung der tiermedizinischen Doktorwürde der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, 2007

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