Morbus Crohn und Paratuberkulose: Eine Chronologie
(aho) – Man kann ihnen kaum entgehen: Bakterien vom Typ Mycobacterium avium paratuberculosis Sie kommen in Flüssen und Bächen, in Trinkwasserleitungen, in Würmern, auf Gemüse, in Wildtieren, in Vögeln, in Hunden, in Katzen, in Gorillas, in Rindern, in Schafen und Ziegen vor und verursachen vermutlich das Krankheitsbild „Morbus Crohn“ beim Menschen. Für Tierärzte und Landwirte ist das Mycobacterium avium paratuberculosis – kurz MAP genannt – ein „alter Bekannter“. Ist er doch bei Wiederkäuern für die Paratuberkulose, einer unheilbaren Darmentzündung, verantwortlich. Seit vielen Jahrzehnten wird der Erreger aber auch im Zusammenhang mit der chronischen Darmentzündung „Morbus Crohn“ (MC) bei Menschen diskutiert. Mit dem Fortschritt der Forschung und verbesserten Untersuchungsmethoden finden sich immer mehr Belege für diese Hypothese.
Eine Auswahl
· 1913: Thomas Kennedy Dalziel beschreibt im „British Medical Journal“ die Ähnlichkeit der Erkrankungen bei Mensch und Wiederkäuer. Seine Hinweise blieben aber weitgehend unbeachtet.
· 1978: Wissenschaftler berichten in der Fachzeitschrift „Lancet“ über den Verdacht, dass MAP am Morbus Crohn beteiligt ist.
· 1986 gelang es mit MAP, die von Morbus-Crohn-Patienten isoliert wurden, bei Ziegenlämmern Paratuberkulose hervorzurufen. ·
1989: Dr. Rodrick J. Chiodini beschreibt in einer umfangreichen und vielbeachteten Veröffentlichung den möglichen Zusammenhang zwischen Paratuberkulose und Morbus Crohn
· Im Jahre 1995 berichten Ärzte aus Houston, Texas, dass eine gegen MAP gerichtete dreimonatiger Antibiotikatherapie bei fünf von sieben Morbus-Crohn-Patienten zu einer dauerhaften Remission des Krankheitsbildes führte.
· 1998: Das Britische Landwirtschaftsministerium meldet, dass MAP das Pasteurisieren der Milch übersteht
· 2000: Amerikanische Wissenschaftler beweisen, das an Morbus Crohn erkrankte Frauen den Erreger über die Muttermilch ausscheiden.
· 2000: Bundesanstalt für Milchforschung bestätigt das Überleben von MAP beim Pasteurisieren.
· Im Jahre 2002 wurde zum erste Mal durch den Nachweis von MAP in Deutschland der erste Fall einer Erkrankung an Paratuberkulose beim Menschen am Universitätsklinikum Münster diagnostiziert. Es war ein durch HIV immungeschwächter 36 Jahre alter Mann, der in Folge der Infektion an Durchfällen, Fieber und Abmagerung litt.
· Am 16. Juni 2003 erläuterte Professor Stange vom Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart mit seinem Forschungsteam in einer Pressekonferenz einen völlig neuen Erklärungsansatz zur Entstehung des Morbus Crohn. Sie hatten nachgewiesen, dass Crohn-Patienten gegenüber Gesunden deutlich weniger sogenannte Defensine in der Darmschleimhaut bilden. Es sind kleine antibiotisch wirksame Eiweißmoleküle des angeborenen Abwehrsystems, die gewöhnlich eindringende, den Darm schädigende Mikroorganismen eliminieren. Fehlen die Defensine, so können sich Bakterien wie ein Biofilm auf der Darmschleimhaut anheften und eindringen. Dies hat Entzündungsreaktionen in der Darmschleimhaut zur Folge, wie sie für den Morbus Crohn typisch sind. Diese Hypothese erklärt auch, warum viele Patienten auf bestimmte Antibiotika gut ansprechen. Es besteht zudem kein Widerspruch zu der nachgewiesenen Zusammenhang des Morbus Crohn mit Mutationen im sogenannten NOD2-Gen. Dieses Gen vermittelt die Freisetzung von Defensinen, sodass eine Mutation in diesem Gen mit einer gestörten Bildung der Defensine einhergehen kann. Professor Stange sagte nicht, welche Bakterien eine Rolle spielen. · Im November 2003 war dann in der Zeitschrift „Gut“ zu lesen, dass es möglich sei, den MAP-Erreger aus Darmgeschwüren zu isolieren.
· Das Fachjournal „The Lancet“ berichtet im September 2004, dass es gelungen sei, MAP aus Blutzellen vom MC-Patienten zu isolieren und anzuzüchten.
· Januar 2005: Wissenschaftler berichten, dass es ihnen – wie vielen zuvor – gelungen ist, MAP in der entzündeten Darmwand von MC-Patienten mit zwei unabhängigen Test nachzuweisen.
Antibiotisch geheilt
Immer wieder lassen Einzelfallberichte über die Heilung von Morbus-Crohn-Patienten durch Antibiotika aufhorchen. Bemerkenswert ist die Krankheitsgeschichte eines deutschen Tierarztes, der nach der Diagnose „Morbus Crohn“ durch eigenes tierärztliches Wissen und Hinweise aus der Fachliteratur auf eine mögliche Beteiligung des Paratuberkuloseerregers (MAP) stieß. Er beauftragte ein Veterinärinstitut, sein eigenes Blut einem Paratuberkulosetest für Rinder zu unterziehen. Der Test erbrachte extrem hohe Werte. Da in Deutschland zu dieser Zeit kein Humanmediziner zu finden war, der mit der antibiotischen Behandlung des Morbus Crohn vertraut war, begab er sich in die Behandlung von Professor Hermon-Taylor, weltweit anerkannter Morbus-Crohn-Fachmann vom St. George’s Hospital Medical Center in London. Die britischen Spezialisten bestätigten die „tierärztliche“ Diagnose. MAP wurde nachgewiesen. Eine zweijährige antibiotische Behandlung heilte den Patienten sowohl klinisch als auch mikrobiologisch. Die Behandlung und die Antibiotika musste der Tierarzt nicht selbst zahlen, da es privat krankenversichert war. Als Kassenpatient wäre er auf den Kosten sitzen geblieben, da es sich nicht um eine anerkannte Behandlungsmethode handelte. Eine jahrzehntelange Behandlung mit Cortison und eine chirurgische Entfernung veränderter Darmteile hätte die Krankenkasse klaglos übernommen.