Drehscheibe Krankenhäuser und Gewässer: Resistente Bakterien erobern Mensch, Tier und Umwelt
Zürich (aho) – In Schweizer Gewässern, im Darm der Menschen und in Nutztieren siedeln immer mehr antibiotikaresistente Bakterien. Professor Roger Stephan vom Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene der UZH und Mitarbeiter haben genauer untersucht, wo die Quellen für antibiotikaresistente Keime liegen und das Ergebnis im Fachjournal Applied and Environmental Microbiology (1) veröffentlicht.
Die Wissenschaftler fanden in 36 Prozent der Wasserproben aus Gewässern unter 1.000 Metern multiresistente Keime. Städtische Räume waren am stärksten belastet. Am häufigsten kamen resistente Bakterien im Rhein vor, im Abschnitt zwischen Basel und der Aaremündung. Hier fanden die Forscher auch eine extrem resistente Bakterienvariante, die sich selbst mit der höchsten Betalactam-Antibiotika-Wirkstoffklasse nicht mehr behandeln lässt.
Bereits im vergangenen Jahr berichteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) in der Fachzeitschrift „Frontiers in Microbiology“ über resistente Keime im Genfer See vor Lausanne, obwohl Lausanne hat keine pharmazeutische Industrie und keine Nutztierhaltungen im großen Stil hat. Doch mit dem Universitätsspital Waadt (CHUV) ist – neben den 214.000 Einwohnern der Region und mehreren kleineren Gesundheitseinrichtungen – ein großes Krankenhaus an der Kläranlage Lausanne angeschlossen
Wie die Universität Zürich aktuell verlauten lässt, untersuchte Stephan bereits vor drei Jahren 600 gesunde Schweizerinnen und Schweizer im Alter von 20 bis 65 Jahren. Bei 5,8 Prozent der Probanden ließen sich Keime im Darm nachweisen, die neben anderen auch Resistenzfaktoren gegen eine Vielzahl von Betalactam-Antibiotika trugen. Professor Stephan untersuchte auch den seit Jahren vermuteten Zusammenhang zwischen resistenten Keimen und dem Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung. Tatsächlich fanden sich im Darm von Nutztieren resistente Keime. Vor allem Hühner stachen heraus: In 64 Prozent der untersuchten Vögel ließen sich multiresistente Bakterien im Darm nachweisen. Das Team von Professor Stephan konnten aber belegen, dass viele resistente Bakterien, die im menschlichen Darm gefunden wurden, beim Huhn gar nicht vorkommen. Es muss also noch andere Quellen geben, über die der Mensch mit multiresistenten Bakterien kolonisiert wird.
Beim Wild kamen praktisch keine antibiotikaresistenten Keime vor, dagegen bei relativ vielen Tauben und bei einigen Kormoranen. Der Kormoran ist ein Fischjäger, der keinen nahen Bezug zum Menschen hat und am Wasser lebt. Ein weiteres Indiz für die Belastung der Gewässer, so die Universität Zürich in einem Online-Beitrag.
Bilanzierend stellt Stephan fest, dass das Vorkommen von antibiotikaresistenten Bakterien zunimmt. Es gibt jedoch nicht einen Verursacher, wie etwa die häufig angeführte Tierhaltung, sondern viele, zum Beispiel auch Krankenhäuser. „Bei mangelhafter Durchsetzung dringender Korrektur- und Schutzmaßnahmen droht die Welt auf ein postantibiotisches Zeitalter zuzusteuern, in dem gewöhnliche Infektionen nicht mehr geheilt werden können“, fürchtet Stephan.
(1) Katrin Zurfluh, Herbert Hächler, Magdalena Nüesch-Inderbinen and Roger Stephan
Characteristics of Extended-Spectrum β-Lactamase- and Carbapenemase-Producing Enterobacteriaceae Isolates from Rivers and Lakes in Switzerland
Appl. Environ. Microbiol. May 2013 vol. 79 no. 9 3021-3026
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